Kinder / Schule / Erwachsene

Bei den meisten Erwachsenen mit Asperger-Syndrom ist der Autismus in der Kindheit unentdeckt geblieben – damals gab es die Diagnose einfach noch nicht. Oft entstehen aus einem unerkannten Autismus psychische Folgekrankheiten, die den Ursprung des Leidens noch mehr verdecken. Die meisten Asperger haben einen langen Leidensweg hinter sich, bis sie zur Diagnose gelangt sind und sich selbst finden konnten.

„Wenn vom frühkindlichen Autismus die Rede ist, dann fast nur vom autistischen Kind. Aber aus den Kindern werden Jugendliche und Erwachsene, und autistisch sind sie dann immer noch. Und sie sind auf Verständnis, Hilfen und Schutz kaum weniger angewiesen als die Kinder.“

(Prof. Dr. Jürgen Wendeler)

Babys und Kleinkinder

Im ersten Lebensjahr:

  • Blickkontakt ist selten oder fehlt völlig.
  • Lehnt Körperkontakt wie Schmusen und Streicheln ab. Kind interessiert sich nicht für gemeinsame Spiele wie «Gugus-dada» oder «Hoppe-Reiter».
  • Kind reagiert nicht auf seinen Namen.

Im zweiten Lebensjahr:

  • Sprache entwickelt sich nicht mehr weiter. Verlust des Wortschatzes.
  • Kind ist nicht interessiert am gemeinsamen Betrachten von Dingen und Bildern.
  • Kind interessiert sich nicht für Umgebung. Zeigt nicht auf Objekte (Ausnahme: Es will sie haben).
  • Kind ahmt Alltagshandlungen nicht nach, zum Beispiel Telefonieren oder Putzen.

Nach dem zweiten Lebensjahr:

      • Kind hat wenig Interesse an anderen Kindern.
      • Seine Sprache fehlt oder ist auffällig.
      • Kind setzt keine Sprache ein, um sich mit anderen zu verständigen.
      • Kind interessiert sich nur für wenige Dinge.
      • Kind wiederholt sich in stereotypen Abläufen. Es hat wenig Interesse an Bilderbüchern oder Geschichten.
      • Kind ist fasziniert von sich drehenden Gegenständen.
      • Auffällige Hand- und Körperbewegungen.

Schule

Autistische Menschen lernen. Weil sie anders lernen als andere Menschen und die Schulen auf nicht-autistische Menschen ausgerichtet sind, brauchen oder bräuchten sie oft eine angepasste Lernumgebung, um ihr Potential entfalten zu können. Nichtsdestotrotz sind die meisten Kinder und Jugendlichen im Autismus-Spektrum an Regelschulen und oft nicht als solche etikettiert.

Gestaltung des Lern- und Lebensraumes Schule

„Nur bei grundlegender Annahme des Kindes und Offenheit auch in schwierigen Situationen können die vielen guten Seiten des Kindes entdeckt und entfaltet werden.“

Folgende Punkte sollten bei Kindern und Jugendlichen mit Asperger-Syndrom in der Schule beachtet werden.

Voraussetzung für ein Gelingen ist Aufgeschlossenheit, einfühlsames und verständnisvolles Verhalten der Lehrkräfte

Rahmenbedingungen

        • Anzahl der FachlehrerInnen so klein wie möglich halten
        • Bezugspersonen/Helfer sind wichtig
        • Struktur im Unterrichtsverlauf: Rituale, Symbole
        • Absprachen unter den Lehrkräften
        • Hausaufgabenmenge allenfalls anpassen, klare Anweisungen
        • Orientierung im Schulgebäude ist schwierig, evtl. Begleitung
        • Ruhephasen ermöglichen
        • Teilnahme an außerschulische Lernorten gut planen und vorankündigen
        • Veränderungen jeglicher Art – wenn möglich – ankündigen (Stundenplan, Kollegen, Räume)
        • Raumgestaltung
        • reizarme Umgebung
        • Rückzugsmöglichkeiten
        • Sitzordnung ( AS sitzen oft gerne am Rand, brauchen eine ‚freie‘ Seite)
        • Alternative Lernangebote
        • Gruppenarbeit nicht erzwingen, allenfalls Einzelarbeit ermöglichen, oder kleine Gruppe
        • Abschreiben ist für AS schwierig, Zeitdruck. Besser Kopie abgeben
        • Einbeziehen der Mitschüler (Lernpartner …)

Sportunterricht
Die Sporthalle bringt für manche Kinder mit Asperger-Syndrom durch die offene Situation ungünstige Bedingungen mit sich. Es muss im Einzelfall über Teilnahme/Befreiung vom Sportunterricht nachgedacht werden oder eine teilweise Befreiung von bestimmten Inhalten. Sport in der Gruppe kann schwierig sein.

Pausensituation
Auch die Pause bedeutet für manche Kinder eine schwer zu bewältigende Situation und bringt einen erhöhten Stressfaktor mit sich. Über Alternativen muss gegebenenfalls nachgedacht werden.

Wichtigste Voraussetzung für ein Gelingen ist die Offenheit der am Prozess Beteiligten!!!

Gemeinsame Gespräche zwischen Eltern, LehrerInnen und TherapeutInnen sowie weiteren beteiligten Personen können eine wichtige Bedingung sein, die Schwierigkeiten zu bewältigen. Dazu gehören auch – angepasst an das Alter der Kinder und die Situation – Gespräche mit den Klassen.

Je nach Schweregrad der autistischen Besonderheiten können weitere Massnahmen notwendig sein:

 

  • Nachhilfestunden für autistische SchülerInnen und Schüler
  • Schulbegleitung als Eingliederungshilfe für:
    • Hilfen im lebenspraktischen Bereich
    • Förderung der sozialen Integration (Hilfe bei Kontaktaufnahme…)
    • Psychischen Hilfestellungen (Umgang mit Stresssituationen …) bis hin zu
    • Unterrichtsbezogenen Tätigkeiten (Einrichten des Arbeitsplatzes, Strukturierung von Lernangeboten …)
  • Anwendung des Nachteilsausgleiches
    Der Nachteilsausgleich ermöglicht einen Ausgleich der durch die Behinderung entstehenden Nachteile. Dabei sollen die fachlichen Anforderungen nicht geringer bemessen werden. Die Anwendung des Nachteilsausgleichs darf nicht in Zeugnissen vermerkt werden. Er ist dem Entwicklungsverlauf des Schülers/der Schülerin anzupassen.
    Ein Nachteilsausgleich kann folgendermaßen aussehen:
    • verlängerte Arbeitszeiten bei Klassenarbeiten
    • Bereitstellen bzw. Zulassen spezieller Arbeitsmittel (Computer, Kassettenrecorder, größere bzw. Spezifisch gestaltete Arbeitsblätter, größere Linien, spezielle Stifte o.ä.)
    • mündliche statt schriftliche Prüfung (z. B. Einen Aufsatz auf Band sprechen)
    • oder umgekehrt: schriftliche statt mündliche Prüfung
    • unterrichtsorganisatorische Veränderungen (z. B. Individuell gestaltete Pausenregelungen, individuelle Platzorganisation, Verzicht auf Mitschrift von Tafeltexten)
    • bei der Hausaufgabenstellung
    • individuelle Sportübungen
  • Beratung
    Idealerweise können sich die Lehrkräfte bei Fachpersonen beraten lassen, oder werden von Fachpersonen gecoacht.

Partnerschaft

Menschen mit Asperger-Syndrom werden oft nicht erkannt. Die Betroffenen unterdrücken die Symptome und schlängeln sich nicht selten lange Zeit hindurch mithilfe von Strategien wie geschicktem Ausweichverhalten und bewusster Konzentration auf berufliche und sachliche Lebensschwerpunkte durch das Leben. Insbesondere in Partnerschaften lässt sich die äußere Anpassung dann jedoch nicht mehr aufrechterhalten: Spannungen in der Beziehung sind vorprogrammiert, und meist leiden diejenigen, die mit den betreffenden Menschen zusammenleben, am meisten. Erst das Wissen um die ‚Außergewöhnlichkeit‘ Ihres jeweiligen Gegenübers erlaubt beiden Partnern, konstruktiv mit den laufenden Schwierigkeiten umzugehen. Und das gemeinsame Erarbeiten einer für das Zusammenleben „passenden“ Kommunikation macht es möglich, die gegenseitigen Bedürfnisse und Grenzen besser zu verstehen – somit Dialog dort zu ermöglichen, wo er zuvor noch nie stattfand oder aus gegenseitigem Unverständnis scheiterte. Scheitern musste…

Noch mehr zur Besonderheiten von Asperger-Partnerschaften finden sie hier: